Celibidache Festival 2002
Textbeiträge aus dem Festival Programm
1. Sergiu Celibidache Festival
eine
Hommage an Sergiu Celibidache zum 90. Geburtstag
...über
Celibidache Ida Haendel über Sergiu Celibidache
I had the good fortune and great honour to perform many sublime concerts under the baton of Sergiu Celibidache. It is impossible to define genius, but Celibidache was that rare phenomenon who represented an intellect of the highest order combined with an amazing technical conducting skill to match. His great contribution to music was that he carved a path into hitherto unknown musical territory, a revelation of unique quality and experience. Celibidache was capable in a magical way to interpret and incorporit, the mystery of life into the eternal enigma of music. We should be forever grateful for this cultural education from a man whose presence on this planet was a gift to all musicians, young and old. The impact which Celibidache made is boundless, an inspiration and legacy to be cherished for posterity.
Ich musste ein Jahrzehnt warten, um den Weg in die Richtung dieses Mannes zwingend ein zuschlagen. In keinem meiner Lebensläufe ist bis heute nur vermerkt, dass ich ein Schüler von S.C. war, da dies in gewisser Weise nicht richtig wäre. Denn er ist es, der mein Leben voll ständig verändert hat. Ab den 80er Jahren habe ich bei seinen Proben zugehört. Am Anfang verstand ich nichts. Ich tauchte wieder in die Gefühle der 70er Jahre ein. Stück für Stück über wand ich diese Panik. Ich stellte alle Aktivitäten ein, bis ich wieder etwas verstand. Als meine Ohren und mein Bewusstsein eine neue Orientierung gefunden hatten, fühlte ich mich bereit, meine Erfahrung zu machen. Die Seminare über Phänomenologie in Mainz spielten eine wichtige Rolle. Alles was ich euch sage, alles was ich euch lehre, gehört nicht mir. Ich bin nur ein Medium. Oft haben wir gehört, wie er darauf bestand. Er war der Weg. Er war die Stimme. Es gibt keinen Zweifel daran, dass es schwierig ist, mit jemanden darüber zu sprechen, der nicht in seinem Fahrwasser gelebt, experimentiert und gewandelt hat. Er ist für mich ein Stern, der hoch und hell strahlt, der immer meinen Weg bewacht. Ich bin ihm wirklich dankbar.
Unser Cellist Mathias Beyer kam bereits durch seinen Lehrer Hans Erick Deckert mit den Anschauungen von Sergiu Celibidache in Kontakt. Persönlich lernte er ihn dann ebenfalls in Mainz kennen, was seine Auseinandersetzung mit Celibidache selbstverständlich intensivierte. Natürlich hat uns all dies in verschiedenster Weise geprägt und wir sind Sergiu Celibidache sehr dankbar für all diese Erlebnisse, Erfahrungen und Lehrstunden.
Der erste Satz trägt den Titel „Kopfkissen“, welches bei Jakob ein Stein in der Wüste ist, der der Grundstein des Tempels werden soll, den Jakob Gott errichten will. Im ersten Traum sieht Jakob eine Leiter die bis zum Himmel ragt und auf der Engel auf- und ab schweben; als Sinnbild der Verbundenheit von Gott mit der Erde. Der zweite Traum musikalisch dargestellt durch ein atemberaubendes Fugato ist ein Kampf zwischen Jakob und dem Engel, dessen Ausgang bis zum Anbruch des Tages ungewiss bleibt. Jakob wacht verletzt auf und erhält den Segen des Engels und seinen neuen Namen: Israel. Ein Orakel, eine in Musik gegossene Prophezeiung, schließt sich an und das Werk klingt aus mit einem jüdischen Hymnus an Gott. Ohne billige Parallelen ziehen zu wollen, glaube ich, dass Celibidaches Leben und Musizieren ohne seinen Kampf und seinen Glauben an das Transzendentale und Göttliche in der Musik und Im Menschen nicht denkbar gewesen wäre. Möge dieses Werk für ihn erklingen!
Peter Michael Hamel zum Tod Sergiu Celibidaches im Jahrbuch der Münchner Philharmoniker 1996
Diese kurz notierten Gesichtspunkte und viele weitere der menschlichen Natur machen das „Celibidachische“ aus, woher der Titel des Werkes rührt. Diese Gegebenheiten, die völlig mit meinem technisch-ästhetischen Fokus der Musik übereinstimmen, sind auf irgendeine Art und Weise Motivation oder Ausgangspunkt um diese „Elegie für Orchester“ durchzuführen. Einmal, auf einer seiner Reisen nach Madrid, bat er mich, ihm ein Werk für Orchester zu schreiben. Seit damals hatte ich nicht aufgehört über eine Sinfonie mit sehr speziellen Charakteristika nachzudenken: der Wiedererlangung der bedeutenden konstruktiven Elemente der Musik, die vom Orchester ausgehend und sich seiner großen ausdrucksstarken Mittel bedienend das Klanggebäude errichten. „Celibidachiana“ ist meine innige Ehrerbietung an den Freund und Meister.
Als stände er hinter mir Ein Gespräch zwischen Zubin Mehta und Mark Mast
Die Sache ist so: Ich habe mit ihm persönlich nicht allzu viele Stunden verbracht. Ich habe immer wieder seine Konzerte in Wien miterlebt und etliche Filme mit ihm gesehen. Wodurch ich allerdings sehr viel von ihm und über ihn erfahren habe, war durch die Dirigate, die ich für ihn übernahm. Am Ende seines Lebens musste er ja doch recht viele Konzerte absagen und wenn ich dann im letzten Moment eingesprungen bin und an das Pult trat, fand ich ein fertig präpariertes Orchester vor. Oft habe ich dann die Werke dirigiert, die er sich so sehr zu Herzen genommen hatte beispielsweise die letzten drei Bruckner-Sinfonien. Und eben durch diese Arbeit gewisser maßen durch das Orchester habe ich seinen Geist gespürt. Es war immer ein sehr starker Eindruck. Das erfährt man nicht bei jedem Dirigenten. Ich kann ganz große Dirigenten nennen, deren Orchester ich dirigiert habe, und nicht gespürt habe, dass da irgendein Einfluss von dem Orchester ausgeht. Aber bei den Münchner Philharmonikern, besonders bei den Bruckner-Sinfonien, habe ich das stark gespürt sehr stark! Ich habe vier, sieben, acht und neun für ihn dirigiert. Von Anfang an habe ich dem Orchester immer gesagt, ja ich habe es regelrecht gewarnt: „Ich weiß, dass ich Celibidaches Tempi, seinen Atem“ Tempo ist so ein Klischee geworden „nicht nachmachen kann, das wäre nicht ehrlich. Ich schätze jedoch alles, was Sie polyphonisch und kammermusikalisch von ihm gelernt haben“. Und die Orchestermusiker sagten mir gleich in der Probe: „Nein, nein, machen Sie Ihre Tempi“. Celibidaches Atem, in diesem Lebensabschnitt sozusagen am Ende seines Lebens war einfach ein anderer Atem als meiner, der eines relativ jungen Menschen. Man könnte also sagen, er hat zu Ihnen gesprochen. Ja, und es war nicht geplant. Nie wurde gesagt, ich mache für Dich die vier Sinfonien, das wäre doch Unsinn. Es ist einfach so gekommen. Das heißt, in dieser Situation haben Sie sich auch wenn ich das so sagen darf ein bisschen als „Medium“ empfunden? Bei einem der Wiener Konzerte war das ganz ausgeprägt. Ich habe mich so gefühlt, als stände er gerade hinter mir im Saal. Irgendwann einmal, lange vor diesem Konzert, als ich ihn im Spital besuchte, sagte er mir, dass dieses Wiener Konzert ihm sehr viel bedeuten würde, und gerade dieses Konzert musste er absagen. Es war wie eine Art Abschiedskonzert, er hat es nie gesagt, aber ich habe es so gefühlt. Seit 1999 gibt es die Sergiu Celibidache Stiftung. So stellt sich natürlich die Frage, was kann eine Stiftung, die den Namen Sergiu Celibidache trägt, überhaupt leisten, und was erwarten Sie von dieser Stiftung? Ich erwarte ganz einfach, dass seine musikalische Denkensart weitergeführt wird, seine Lehrprinzipien und seine Musizierprinzipien. Er hatte eine ganz besondere Linie, eine Richtung, eine Denkensart und was soll die Stiftung anderes machen, als das zu produzieren, und das weiterzugeben. Ja, man könnte auch die neue Musikergeneration anregen, sich mit seinen Dirigentenschülern auseinander zu setzen. Im Grunde genommen sind die Musiker, mit denen Celibidache gearbeitet hat, ja die Intensivsten Schüler. Ja, auf jeden Fall! Wenn die Musiker seine Prinzipien verstanden haben, können sie diese weitergeben, es geht von einem zum anderen. Oft liegt aber auch eine Gefahr in der Nachahmung, insbesondere in der oberflächlichen Annahme. Oberflächliche Imitation ist das Gefährlichste überhaupt! Maestro, es ist eine große Ehre für uns, dass Sie im Rahmen des 1. Sergiu Celibidache Festivals die Münchner Philharmoniker dirigieren. Herzlichen Dank dafür! Ja, gerne. Ich mache das von ganzem Herzen. Ich habe das Angebot sofort angenommen, weil ich ihn in seinen letzten Jahren sehr geliebt habe und sein Orchester, nach wie vor liebe auch wenn ich Nachbar geworden bin.
Gestalt gewordener Wille. Zum
Tode von Sergiu Celibidache
Und nun also der alte Meister, im höchsten Stadium seiner Reife. Die Video Aufnahmen vermittelten ein verändertes Bild; sie bannten mich um es gleich zuzugeben gegen meinen Willen fast drei volle Tage vor den Fernsehschirm. Die erste Reaktion auf diesen Bruckner war Verblüffung („Das kann doch nicht wahr sein!!“). Bis auf die Hälfte der (üblichen) Werte gedehnte Tempi; Absenz jedes spontanen Ausdrucks, jedes spielerischen Impulses; über lange Zeitstrecken fast konstante Dynamik. Eigentlich hätte das nichts als Langeweile erzeugen dürfen; das Seltsame war, dass genau das Gegenteil der Fall war. Die Zeitdehnung setzte eine neue Qualität des Hörens frei: Man begriff die Brucknersche Makroform direkt über die Ohren und nicht über den Intellekt und zwar sehr viel besser als bei den üblichen, viel schnelleren Aufführungen. Ein Paradox! Ebenso bewirkte die völlige Stilisierung aller Affekte durch den so entstandenen rituellen, fast liturgischen Aufführungscharakter eine Vertiefung des Hörvorgangs hin zu einer fast kontemplativen Haltung. So musste ganz von alleine als zweite Reaktion die Frage entstehen: „Wie zum Teufel kriegt der Kerl das hin?“ Diese Art von Perfektion, die nicht mehr die zirkushafte Perfektion des großen Virtuosen, sondern die Perfektion einer völligen Bewusstheit, war, konnte nur und das war die erste Antwort durch das bekannte große Maß an Proben erreicht werden, das Celibidache sich, gegen den Widerstand eines ganzen Musikbetriebes, immer zu erobern wusste. Das, was eine gedankenlose, am puren Funktionieren und am kommerziellen Profit orientierte Konzertpraxis als „Spontaneität“, gar „Vitalität“ ausgibt, erscheint, verglichen mit einem solchen Niveau, als reiner Dilettantismus. Natürlich handelt es sich auch gar nicht um Spontaneität niemand spielt ja vom Blatt oder improvisiert , sondern um eine fatale Halb-Bewusstheit. Gerade bei sehr brillanten und gut trainierten Orchestern, in deren kollektivem Gedächtnis sich die Erinnerung an viele verschiedene Interpretationen der gleichen Stücke vermischt, kann nur eine exzessive Probenarbeit zu jener magischen Einheit von Dirigent, Orchester und Konzept führen, die durch ihre absolute Bewusstheit die höchste Wirkung hat. Und erst dann siehe Kleists „Marionettentheater“ kann wie der eine neue „Spontaneität“ entstehen! Aber die geduldigste Probenarbeit und Celibidache unterwarf sich dieser Fron bis zuletzt wird am Ende nichts fruchten, wenn nicht dazu die souveräne Verfügung des Dirigenten über sein eigenes „Instrument“ kommt. Sein Instrument ist der „Schlag“. Die körperliche Gebrechlichkeit, die jene Video-Aufnahmen zeigen, hatte durch den erzwungenen Verzicht auf alle Äußerlichkeiten diesen Schlag zu einer Impulsschrift reiner Zweckmäßigkeit reduziert. Das Erstaunliche war, dass dieser Schlag niemals „abstrakt“ wirkte. Er war ganz eindeutig ein Gestalt gewordener Wille; er saß exakt auf dem klingenden Ereignis auf ganz im Gegensatz etwa zum Taktieren Karajans, das manchmal bis zu einer ganzen Schlaglänge vorauszeichnete. Er produzierte aber nicht jene Härte der Attacke, wie sie sonst für Präzisions-Dirigenten typisch ist, sondern enthielt alle Modulationsfähigkeit im Augenblick des Niederschlags: ein Höchstmaß an Plastizität und Differenziertheit. Die Betrachtung der künstlerischen Mittel konnte aber letztlich nicht die wichtigste Frage unterdrücken, die nach der Ästhetik. Hier musste ich ein weiteres Paradox akzeptieren: Trotz der extrem individuellen Lesart konnte man nicht von „Subjektivismus“ als Grundhaltung sprechen. Ganz im Gegenteil war hier in aller Konsequenz ein Weg eingeschlagen, der zu so etwas wie „klingender Architektur“ führte. Das (mir immer verhasste) Wort von der Architektur als „gefrorener Musik“ schien hier in seiner Umkehrung bestätigt zu wer den. Die Musik erhält fast Objektcharakter, der Klang wird zum „Zeit-Baustein“ ... Celibidache berührte den einen Pol der Musik, die Form; der andere, entgegengesetzte, wäre die glühende Lava des „Sich-jetzt-in-diesem-Augenblick-Ereignenden“: der Traum aller Romantiker. In den letzten Jahren konnten die Musikfreunde gerade am Beispiel Bruckners erfahren, wie verschieden ein großer Interpret die Schrift der Partitur lesen kann. Die Zeichen der Partitur sind ja unendlich mehrdeutig. Hört man Günter Wand eine Bruckner-Sinfonie dirigieren und vergleicht sie mit einer Celibidache-Interpretation, so glaubt man manchmal, es handele sich nicht um das gleiche Stück. Jugendlich, feurig, dramatisch gespannt fliegt die Zeit bei Wand dahin, wohingegen man bei Celi schon manchmal das Gefühl hatte, dass Amfortas die Zeremonie des Grals zelebriere. Aber das Wunderbare ist doch, dass beide Extreme nebeneinander möglich sind! Was für eine große und geheimnisvolle Sache ist doch die Musik; welcher Reichtum an Farben und Ideen schlummert schon in einer einzigen Partitur und wie viel Partituren schlummern noch in den Köpfen der Komponisten ... Am Ende des dritten Tages meines Celi-Video-Rausches geschah etwas ernüchternd Seltsames. Mitten im langsamen Satz der 6. erstarrte Celi plötzlich, mit erhobenem Arm, dem aufschauenden Konzertmeister zugewandt. Der Fernseher streikte, und keine Überredungskünste konnten ihn wieder in Gang bringen. Die von Celi so verabscheute Technik, sie schnitt in einer bösen Parodie dem künstlerischen Ideal der Objektivation eine Fratze. Der Bann war gebrochen: Ich konnte mich wieder mir selbst zuwenden. Zurück blieb der neu gewonnene Respekt vor einer vollkommenen Meisterschaft, zu dem sich jetzt die Trauer um einen großen Verlust gesellt. August
1996
loana Celebidachi
Neben der Malerei widmet sie sich auch der Literatur: In ihrer Jugend veröffentlichte sie zwei Gedicht bände, „Geständnis“ und „Erinnerungen“, in französischer Sprache. Nach dem Tod ihres Mannes, des weltberühmten Dirigenten Sergiu Celibidache, verfasste sie das Buch „Sergiu, autrement“, das mit Humor die überraschenden Ereignisse und Wendungen ihres gemeinsamen Lebens nachzeichnet. Ioana nimmt an vielfältigsten Kunstveranstaltungen teil und gewann neben vielen anderen Auszeichnungen die „Médaille d'Or des Arts, Sciences et Lettres“ im Jahre 2001. Ihre Werke, die sie in den USA, Japan und ganz Europa ausstellt, sind in vielen Museen und zahlreichen Privatsammlungen vertreten. loanas Malerei zeichnet sich durch einen sensiblen und nuancenreichen Umgang mit Farbe und Form aus. Die abstrakten Gemälde sind dynamisch komponiert und schaffen phantasievolle Traumwelten. Virtuose Beherrschung der Technik verbindet sie mit einfühlsamer Farbgebung. Die wohl wichtigste Referenz ihrer Kunst ist Paul Klee, dessen Stil sie in ihrer strukturvollen, farbkräftigen Malerei inspirierte. Im Rahmen einer Reise nach Bern lernte sie Felix Klee, seinen Sohn, kennen. Er war begeistert von der Wesensverwandtschaft von Ioanas Malerei mit der seines Vater und legte ihr noch kurz vor seinem Tode nahe: „Bleiben Sie sich treu!“ In September 2011 wurde Iona Celebidachi mit den französischen "Ordre des Arts et des Lettres" für Ihr künstlerisches Gesamtwerk geehrt. Die Zeremonie fand in München unter Teilnahme von Oberbürgermeister Christan Ude statt. Die Witwe des Dirigenten Sergiu Celibidache ist Freitag den 13. Januar in Paris nach schwerer Krankheit gestorben.
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