...ein biographischer Essay


 
   

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Sergiu Celibidache


Ein biographischer Essay
von Klaus Weiler
zum 1. Sergiu Celibidache Festival

 

Sergiu Celibidache wurde am 11. Juli 1912 in Roman in Rumänien geboren (nach dem damals in Rumänien noch geltenden Julianischen Kalender am 28. Juni 1912). Er kam als zweitältestes Kind unter fünf Geschwistern zur Welt. Celibidaches Vater Demostene, ein stattlicher Kavallerieoffizier, war nach den Äußerungen seines Sohnes sehr musikalisch; von seiner Mutter wollte Celibidache dies nicht behaupten, obwohl sie immer viel Klavier gespielt hatte. Im Hause des kleinen Sergiu wurde regelmäßig musiziert, und er selbst saß bereits im Alter von nur vier Jahren oft am Klavier.

Wir wissen nicht allzu viel von seiner Kindheit und Jugend. Parallel mit der Schulausbildung, während der Celibidache immer der Klassenerste war, verlief ein neun jähriger Musikunterricht. Der Vater verfolgte jedoch für die Zukunft seines ältesten Sohnes ganz bestimmte Pläne: Sergiu sollte eine politische Karriere anstreben. Der Sohn aber widersetzte sich dem Wunsch seines Vaters, denn er wollte unbedingt Musik studieren. Das führte zu Celibidaches früher Trennung vom Elternhaus, über die er sich nicht ohne Humor äußerte: „Mein Vater hatte die Charakterstärke, mich hinauszuwerfen, und ich hatte die Charakterstärke, zu gehen ...“


Celi Familie

 


Studienjahre in Rumänien

Celibidache studierte zunächst in Jassy Mathematik und Philosophie, vernachlässigte aber auch seine musikalische Weiterbildung nicht. Hier in Jassy hielt der gestrenge Papa noch die Hand über ihn, und der Sohn brauchte in finanzieller Hinsicht keine Not zu leiden. Nach der Militärzeit kam es durch Celibidaches Entschluss, nach Bukarest zu gehen und dort weiter zu studieren, jedoch zu der unvermeidbaren heftigen Auseinandersetzung zwischen Vater und Sohn, die dessen endgültige Trennung vom Elternhaus besiegelte. Er kam völlig mittellos nach Bukarest und hat dort als Pianist in einer Tanzschule das notwendige Geld für sein Studium verdient. In der Tanzschule lernte er ein fünfjähriges Mädchen kennen mit Namen Ioana. Jahrzehnte später wurde dieses Mädchen seine Frau. Celibidache konzentrierte sich nun vor allem auf sein Musikstudium, ohne deshalb aber seine Beschäftigung mit Philosophie und Mathematik aufzugeben. Im übrigen war auch das Studium in Bukarest nur eine vorübergehende Station seiner jahrelangen Ausbildung, nicht anders als der unmittelbar darauf folgende Aufenthalt in Paris 1935/36.

 
Celi Thiessen

 


Heinz Tiessen bittet nach Berlin

 Im Jahre 1936 reiste Celibidache nach Berlin, wo er dann bis zu seinem dramatischen Abgang im Dezember 1954 bleiben sollte. Der äußere Anlass für die Reise war die Aufforderung des Komponisten Heinz Tiessen, dem Celibidache sein Streichquartett gesandt hatte, sofort nach Berlin zu kommen.

 Celibidache bewohnte bis über das Kriegsende hinaus ein winzig kleines Zimmer zur Untermiete in Berlin-Wilmersdorf. Er widmete fast die ganze ihm zur Verfügung stehende Zeit seinem Studium. Nach eigenen Angaben hat er täglich oft zwölf Stunden und mehr gearbeitet. Er studierte nicht nur an der Musikhochschule, sondern auch an der Friedrich- Wilhelm-Universität Philosophie und Musikwissenschaft. Zu seinen Lehrern gehörten so bedeutende Persönlichkeiten wie Nicolai Hartmann, Eduard Spranger, Arnold Schering, Hugo Distler, Heinz Tiessen, und Walter Gmeindl. Er soll drei Dissertationen ausgearbeitet haben, darunter eine musik-wissenschaftliche über Josquin Desprez. Zur Promotion ist es aber nie gekommen.

 Die musikalischen Aktivitäten Celibidaches außerhalb des Studiums waren stark eingeschränkt, da die Musikhochschule während der Kriegsjahre kein eigenes Orchester besaß. Neben wenigen öffentlichen Auftritten seit 1943 dirigierte er des öfteren Chöre, die aus Eisenbahnern und Straßenbahnern zusammengesetzt waren. Außerdem begleitete er als Pianist einmal einen rumänischen Ausdruckstänzer auf dessen Reisen und nahm selbst Unterricht im Ausdruckstanz. Durch die bedeutsame Begegnung mit Martin Steinke wurde er in die Lehren des Zen-Buddhismus eingeführt. Steinke, der dreißig Jahre in China gelebt hatte, war für ihn eine Art Guru geworden.

 
Celi berlin


Wie aus dem Nichts: Chef der Berliner Philharmoniker

Nach dem Ende des mörderischen Kriegs im April 1945 blühten die Künste bald wie der auf, besonders im musikalischen Bereich. Der Dirigent Leo Borchard machte sich daran, das erste Nachkriegskonzert der Berliner Philharmoniker zu organisieren. Doch bereits am 23. August 1945 wurde er das tragische Opfer des ungezielten Warnschusses eines amerikanischen Soldaten. Was nun? Die namhaften deutschen Dirigenten waren entweder emigriert oder hatten Auftrittsverbot. Dies war die Stunde Celibidaches! Er hatte gerade einen von der russischen Besatzungsmacht angeregten Dirigentenwettbewerb des Berliner Rundfunk-Sinfonieorchesters gewonnen, als die Einladung zum Probedirigieren bei den Berliner Philharmonikern erfolgte. Celibidache vermochte die Musiker von seinen Fähigkeiten zu überzeugen und man engagierte ihn bereits für das nächste Konzert. Am 29. August 1945 dirigierte er öffentlich zum ersten Mal das bedeutendste deutsche Orchester. Die Wahl Celibidaches zum Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker bis zur Rückkehr Furtwänglers wurde noch Anfang Februar 1946 einstimmig vom Orchester bestätigt. Die Lizenz für alle vier Besatzungszonen hatte er bereits im Dezember 1945 von den Alliierten erhalten.

Celibidache sah sich nun einer immensen Arbeitsleistung ausgesetzt. Er musste fast alle Konzerte der Berliner Philharmoniker selbst dirigieren; hinzu kam noch, dass er die Werke der meisten Aufführungen zum ersten Mal in seinem Leben dirigierte, und zwar ausnahmslos auswendig! Er gebrauchte auch bei den Proben keine Partitur. Diese nahm er nur zu Hilfe, wenn er Solisten zu begleiten hatte, eine Methode, die er bis zu seinem Lebensende beibehielt. Es kam zu hinreißenden, ungemein temperamentvollen und zugleich durchdachten und im Wortsinn inspirierten Aufführungen. Celibidache dirigierte nicht nur die deutschen Klassiker und Romantiker sowie slawische und romanische Musik, sondern er leitete auch viele Ur- und Erstaufführungen zeitgenössischer Werke, so im Dezember 1946 die erste deutsche Aufführung der 7. Sinfonie von Schostakowitsch, die auch im Ausland große Beachtung fand.

Das ursprünglich freundschaftliche und achtungsvolle Verhältnis zwischen Wilhelm Furtwängler und Celibidache verschlechterte sich leider mit der Zeit und endete auf tragische Weise. Zunächst kämpfte Celibidache völlig selbstlos für die Entnazifizierung des Älteren. Beide probten zusammen bis in die Einzelheiten, wie der große Dirigent vor dem Tribunal bestehen könnte. Es ist nicht zuletzt Celibidaches Verdienst, wenn Furtwängler ab Mitte 1947 wieder dirigieren durfte. Vorerst blieb aber Celibidache nominell und de facto Leiter des Orchesters, da Furtwängler aus persönlichen Gründen keine feste Bindung mehr eingehen wollte. Doch zog es den jungen Maestro auch ins Ausland. 1948 gab er sein erstes Konzert mit dem London Philharmonic Orchestra. Im November 1948 reisten Furtwängler und Celibidache mit den Berliner Philharmonikern durch England, wobei der jüngere die meisten Konzerte dirigierte. Das Jahr 1949 brachte Celibidache wiederum große Erfolge in England, Österreich, Italien und Frankreich. In der folgenden Saison 1950/51 kam es zu umjubelten Konzerten in Mittel- und Südamerika. Eben dort und in Italien feierte Celibidache auch in der Saison 1951/52 Triumphe.

  
Celi Furtwängler


An der langsamen Verschlechterung des anfänglich so guten Verhältnisses zwischen Celibidache und dem Orchester waren wohl beide Seiten nicht unschuldig. Zu allem Überfluss verbreitete sich das haltlose Gerücht, er wolle Furtwängler aus Berlin verdrängen. Vielleicht war dieser schließlich doch misstrauisch geworden. Außerdem wurde der in aller Welt gefeierte jüngere für ihn mit einem Mal zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten   und Furtwänglers Neid war seine große Schwäche. Er übernahm 1952, vom Orchester gedrängt, wieder die Leitung der Philharmoniker auf Lebenszeit. Celibidache aber war von nun an nur noch als Gastdirigent tätig; die Freundschaft zwischen den beiden großen Dirigenten schien erloschen. Die Berliner jedoch feierten Celibidache stürmisch bei jedem seiner Auftritte, die Kritiken waren besser als je zuvor. Schon 1953 war er mit dem Berliner Kunstpreis für Musik geehrt worden, und am 28. November 1954 erhielt er das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der BRD. Doch dann ging alles ganz schnell: Am 30. November 1954 starb Furtwängler, am 13. Dezember erfolgte die Wahl Herbert von Karajans zu seinem Nachfolger. Celibidache hatte sich während der Proben zum Deutschen Requiem von Brahms mit dem Orchester heillos zerstritten. Er verließ die Stadt in Zorn und Bitterkeit. Der Preis des Verbandes Deutscher Kritiker von 1955 erreichte ihn in Italien.

 

Wander-  und Lehrjahre

Celibidache hatte geschworen, niemals mehr die Berliner Philharmoniker, an deren Pult er in 414 Konzerten gestanden hatte, zu dirigieren. Inzwischen ein international berühmter Dirigent geworden, wandte er sich neuen Aufgaben zu, auch wenn er den Berliner Schock niemals vergessen konnte. Sein reicher Geist, seine stets wache, in tausend Facetten funkelnde Intelligenz und sein musikalisches Ingenium führten ihn zu neuen Wegen der Beschäftigung mit dem Phänomen Musik. Wenn wir auf die vierundzwanzig Jahre von 1955 bis 1979   auf die Zeit zwischen Berlin und München also   blicken, dann erscheint sie uns als eine Epoche mehr oder weniger unruhiger Wanderungen, Jahren der Suche und Annäherungen an das Absolute in der Musik.

Es ist erstaunlich, mit wie vielen Orchestern Celibidache in dieser Zeit zusammen gearbeitet hat: 1955 beginnt eine intensive Gasttätigkeit in Italien, wo Rom für lange Zeit seine Heimat wird; unter anderem häufige Konzerte mit den Radio Sinfonieorchestern des Italienischen Rundfunks in Rom, Mailand, Turin, Neapel, Bologna und Florenz; 1954 erste Konzerte mit dem Israel Philharmonic Orchestra, später dann wieder 1966 und 1970; 1957/58 sensationelle Konzerte und anschließende Konzertreisen mit dem Sinfonieorchester des WDR In Köln; 1960 bis 1963 enge Zusammenarbeit mit der Königlichen Kapelle Kopenhagen, mit der er auch aufsehenerregende Konzertreisen unter nahm; 1963 bis 1971 ständiger Gastdirigent und künstlerischer Leiter des Sinfonieorchesters des Schwedischen Rundfunks mit zahlreichen Tourneen; 1969/70 Konzerte mit den Bamberger Sinfonikern in verschiedenen deutschen Städten; 1972 bis 1977 ständiger Gastdirigent und künstlerischer Leiter des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart, mit dem er viele umjubelte Konzertreisen unternahm; 1973 bis 1975 ständiger Gastdirigent des Orchestre National de l'ORTF in Paris, nach Rom nun die neue Heimatstadt; 1978 Konzerte mit dem NHK-Sinfonieorchester in Tokio, dem London Symphony Orchestra und dem Rheinlandpfälzischen Staatsorchester. Und diese Aufzählung könnte man noch fortführen.

 
Celi Campari


Celibidache verfuhr bei seiner Arbeit mit den verschiedensten Orchestern eigentlich immer nach dem gleichen Prinzip. Man einigte sich auf mehrere Arbeitsperioden pro Jahr mit einer von ihm unbeirrbar geforderten Anzahl von Proben und Konzerten eventuell auch Konzertreisen. Celibidaches außerordentliche Fähigkeiten als Orchestererzieher und Pädagoge überhaupt hatte er schon während seiner Berliner Zeit beweisen können, durch seine Arbeit mit den Philharmonikern und seine Dirigentenkurse am Internationalen Musikinstitut seit 1946. Diese Fähigkeiten kamen nun auch anderen Orchestern zugute, und vor allem bedeutete die Arbeit mit so vielen grundverschiedenen Klangkörpern für ihn selbst eine enorme Bereicherung und Ausweitung seiner Erfahrungen auf dem Gebiet der Orchestererziehung. Er arbeitete auf höchst individuelle Weise mit den einzelnen Orchestern, indem er seine künstlerischen Forderungen ihrem Standard und ihren unter schiedlichen Niveaus anzugleichen versuchte. Doch alle diese Bindungen waren Immer nur vorübergehend, bevor sie aus unterschiedlichen Gründen wieder aufgelöst wurden.

Celibidaches konsequente Ablehnung der Schallplatte ist bekannt und wurde oft aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln diskutiert. Tatsache ist, dass es insgesamt nur vier im Studio aufgenommene Schallplattenproduktionen von ihm gibt, darunter die erste Schallplattenaufnahme der Berliner Philharmoniker in der Nachkriegszeit (1948/49), das Violinkonzert von Brahms mit Ida Haendel (1953) und die eigene Komposition »Der Taschengarten« (1979) mit dem Orchester des Süddeutschen Rundfunks Stuttgart.


Celi hörend..

 


Ruf nach München

Zu den wichtigen persönlichen Ereignissen dieser Zwischenphase gehörten für Celibidache natürlich die Vermählung mit seiner Frau Ioana und die Geburt seines einzigen Sohnes Serge. Musikalisch bildet jedoch nach Berlin erst die Münchener Zeit die zweite bedeutungsvolle Station seines Lebens, wie er selbst in einem Gespräch Anfang der neunziger Jahre erklärte. Die Münchner Philharmoniker bemühten sich seit dem Tode Rudolf Kempes im Jahre 1976 erfolglos um einen geeigneten Nachfolger. Auch an Celibidache, den großen Schwierigen, wandte man sich; wie würde er reagieren? Er fand das Orchester gut und entwicklungsfähig und kam zu einem Test-Konzert, um sich dann endgültig zu entscheiden. Diese erste Konzertreihe vom 14. bis 17. Februar 1979 führte nach zehn anstrengenden Konzerten zu einem in der Geschichte dieses Orchesters noch nie zuvor erlebten Triumph. Die frenetischen Ovationen nach dem letzten Konzert dauerten fast eine halbe Stunde und die Kritiken in den Zeitungen überboten einander an Bewunderung.

Im Juni 1979 wurde Celibidache dann vom Stadtrat zum Generalmusikdirektor der Stadt München ernannt; er blieb es trotz einiger dramatischer Zwischenfälle siebzehn Jahre bis zu seinem Tode. Zu den ihm zugesagten Bedingungen seiner Berufung gehörten die Anhebung der Gehälter der Orchestermusiker sowie die personelle Aufstockung der Philharmoniker. Diese Berufung wurde umrahmt von Celibidaches zweiter Konzertserie mit den Philharmonikern, bei der ihn die Münchener in fünf ausverkauften Vorstellungen enthusiastisch feierten. Doch in den allgemeinen Jubel mischten sich auch Missklänge. Ausgerechnet Joachim Kaiser, der Münchener Musikpapst, richtete heftige Angriffe gegen Celibidaches Musizieren. Der Geschmähte reagierte höchst emotional und temperamentvoll mit einem schockierenden Rundumschlag und zog sich grollend auf seinen Landsitz bei Paris zurück. Doch bei seiner Rückkehr ließ er allein die Musik sprechen. An zwei denkwürdigen Abenden am 15. und 19. Oktober 1979 dirigierte er in der Lukaskirche die 8. Sinfonie von Bruckner auf eine Weise, die seinen singulären Rang als Bruckner-Dirigent eindeutig und unwidersprochen unter Beweis stellte.

Celibidache, der das Orchester bereits zu so außerordentlichen Leistungen angespornt hatte, konnte sich nun ungestört seiner musikalisch-pädagogischen Aufgabe widmen. Er war angetreten mit dem nach Ansicht einiger Experten übertriebenen Anspruch, die Münchner Philharmoniker zu einem Orchester von Weltrang zu formen. Und das gelang ihm schneller   dank der eifrigen und aufopfernden Mitarbeit der Orchestermusiker   als man anfangs erwartet hatte. Celibidache lehrte sie, beim Musizieren aufeinander zu hören, sich als eine Einheit zu betrachten. Der Orchesterklang wurde dadurch transparenter, die verschiedenen Instrumentengruppen traten deutlicher hervor, der Reichtum an Klangfarben vergrößerte sich auf ungeahnte Weise, die dynamischen Unterschiede waren extrem und ermöglichten Celibidache die eindrucksvollsten Steigerungen. Die erreichte unvergleichliche Klangsensibilität der Münchner Philharmoniker stellte sich schon bald auf ihren Konzertreisen, die überall höchste Anerkennung und Begeisterung hervorriefen, unter Beweis.

 

Tourneereisen durch die ganze Welt

Celibidache hat mit seinen Münchner Philharmonikern nahezu die ganze musikalische Welt bereist: fast ganz Europa einschließlich Russland, Israel, den fernen Osten, vor allem Japan, wo er mehrfach mit den Philharmonikern zu Gast war, die USA und Kanada sowie Südamerika. Seine phänomenale Musikalität und eminente Kunst der Orchestererziehung wurden ebenso gerühmt wie das Orchester selbst. Besondere Höhepunkte dieser Reisetätigkeit waren die Auftritte beim Internationalen Brucknerfest in Linz, bei denen Celibidache in Sankt Florian, der Wirkungsstätte Bruckners, von 1987 bis 1991 die großen Werke des Meisters dirigierte.

 

Phänomenologie der Musik

Celibidaches pädagogischer Eros fand auch außerhalb des Orchesters ein reiches Betätigungsfeld. Schon seit seiner Berliner Zeit leitete er immer wieder Dirigentenkurse, so in Rom, Venedig, Siena und Bologna, 1977/78 in Trier. 1978 begann auch seine Lehrtätigkeit am Musikwissenschaftlichen Institut der Universität Mainz, zweimal jährlich bis 1992 Vorlesungen über Musikalische Phänomenologie. Mit den Münchner Philharmonikern gab er zusätzlich 1980 bis 1982 Dirigierkurse, jährlich im Mai und im Juni, 1984 arbeitete er mit dem Studentenorchester des Curtis-Instituts in Philadelphia und gab anschließend mit ihm ein aufsehenerregendes Konzert in der New Yorker Carnegie- Hall. Seit 1985 Zusammenarbeit mit dem Studentenorchester der Münchner Musikhochschule. Außerdem leitete er zweimal, im Sommer 1987 und 1988, beim Schleswig-Holstein Musik Festival eine internationale Orchesterakademie und unternahm anschließend mit dem Orchester umjubelte Konzertreisen. 1991 wurde Celibidache zum Professor der Musikhochschule München ernannt, und ab 1993 hielt er dort auch seine Vorlesungen über musikalische Phänomenologie.


Celi zeigend..

 

Nach einer nur knapp überstandenen schweren Krise mit der Stadt München 1984 begann mit der festlichen Einweihung der neuen Philharmonie am Gasteig im November 1985 für ihn und die Münchner Philharmoniker die Glanzzeit ihrer immer intensiver werdenden gemeinsamen künstlerischen Arbeit. Musiker wie Arturo Benedetti Michelangeli, Murray Perahia, Daniel Barenboim, Radu Lupu, Shlomo Mintz oder Natalia Gutman, um nur einige zu nennen, folgten gern den Einladungen zum gemeinsamen Konzertieren, aber auch Mitglieder des eigenen Orchesters konnten immer wieder als Solisten in meist ausverkauften Konzerten hervortreten.

 
Celi Weizäcker

 

Der Wortbruch und die letzten Jahre

Ein großes Ereignis in seinem Leben war der Wortbruch 1992: Der Einladung des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker konnte und wollte Celibidache keine Absage erteilen, und so stand er nach 37 Jahren erstmals wieder am Pult der Berliner Philharmoniker   für ihn sicherlich ein menschlich sehr bewegendes Erlebnis, doch auch ein musikalisches Ereignis, an dem die internationale Öffentlichkeit lebhaften Anteil nahm. Noch im gleichen Jahr feierte die Musikwelt den 80. Geburtstag des Maestro. Die Stadt München verlieh ihm mit der Ehrenbürgerwürde ihre höchste Auszeichnung. Der bayerische Kultusminister überreichte ihm im Auftrage des Bundespräsidenten das Große Verdienstkreuz mit Stern des Verdienstordens der BRD. Von allen Seiten erreichten ihn Ehren und Auszeichnungen, an denen er sichtlich seine Freude hatte.

Die letzten Jahre Celibidaches wurden von Krankheiten überschattet. Nach einem leichten Herzanfall wurde ihm im Sommer 1994 ein Herzschrittmacher eingesetzt; ein Jahr später zog er sich in Florenz einen Oberschenkelhalsbruch zu. Von der anschließenden Operation hat er sich nie wieder richtig erholen können. Sein letztes Konzert mit den Münchner Philharmonikern dirigierte er am 4. Juni 1996 mit fast jugendlichem Feuer und verabschiedete sich mit einer wundervollen Aufführung der 2. Sinfonie von Beethoven. Für alle überraschend starb Sergiu Celibidache am Abend des 14. August 1996 an einem Herzinfarkt in Nemours und wurde bereits zwei Tage später in Neuville-sur-Essonne, in der Nähe seines Landsitzes beigesetzt. Keine Musik, keine Reden, keine Honoratioren; eine Beerdigung auf einem kleinen Dorffriedhof in aller Stille.

 

 
Celi Garten


Quelle: Festschrift zum 1. Sergiu Celibidache Festival
der Sergiu Celibidache Stiftung München